Data

Date:
10-02-1994
Country:
Germany
Number:
6 U 32/93
Court:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Parties:
Unknown

Keywords

APPLICATION OF CISG - RULES OF PRIVATE INTERNATIONAL LAW REFERRING TO LAW OF CONTRACTING STATE (ART. 1(1)(B) CISG)

NON-CONFORMITY OF GOODS - NOTICE OF LACK OF CONFORMITY - WITHIN REASONABLE TIME AFTER DISCOVERY (ART. 39(1) CISG) - MORE THAN TWO MONTHS AFTER DELIVERY NOT REASONABLE

DAMAGES FOR NON-PAYMENT OF PRICE - RIGHT TO CLAIM DAMAGES (ART. 74 CISG) - NO FORMAL REQUEST FOR PAYMENT NECESSARY

RIGHT TO INTEREST (ART. 78 CISG) - INTEREST RATE - DETERMINED BY LAW OTHERWISE APPLICABLE TO THE CONTRACT

Abstract

Between February and July 1989, a German trading company ordered textiles from a French company in order to sell them on to prospective customers on its own behalf. After the delivery of the goods, the German buyer refused to pay the agreed price as it alleged, inter alia, non conformity of the goods. The French seller commenced an action against the German buyer requiring full payment of the price and claiming the costs of collecting the outstanding credits.

The court held that the contract was governed by CISG, as the German private international law rules led to the application of the law of France, a contracting State (Art. 1(1)(b) CISG).

The court held that the buyer had to pay the purchase price (Art. 53 CISG), and did not have the right to rely on a lack of conformity of the goods, as it had not examined them and given notice of their non-conformity in compliance with Arts. 38 and 39 CISG. The court stated that these requirements must be construed strictly. In determining whether the buyer has examined the goods and given timely notice to the seller of their non-conformity, the circumstances of the case and the opportunities of the parties to the contract have to be taken into account. According to the court, the buyer could have easily examined samples of the goods and given notice to the seller of their non-conformity within a few days after delivery, while it actually did so not earlier than two months after delivery. The court found that a period of more than two months was not reasonable, as required in Art. 39(1) CISG.

The court stated that the seller might be entitled to recover damages (Art. 74 CISG) deriving from the costs of collecting the outstanding credits. The court held that any failure to perform a contractual obligation amounts to a breach without the need for the other party to formally request performance.

According to Art. 78 CISG, the seller was entitled to interest on the price, with the interest rate being determined in accordance with the domestic law otherwise applicable to the contract (French law as the law of the seller's country).

Fulltext

[...]

Aus den Gründen:

Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten der mit der Klage geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 61.646,40 FF - vorbehaltlich der Entscheidung über die Aufrechnung - zu. Diesen Betrag kann sie von der von den Beklagten betriebenen offenen Handelsgesellschaft nach Art. 53 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11.4.1980 (CISG; vgl. BGBl. 1989 II, S. 588ff.) als restlichen Kaufpreis für die von ihr gelieferten Textilien beanspruchen [...]. Für diesen Kaufpreisanspruch haften die Beklagten gesamtschuldnerisch als Gesellschafter der OHG. Dies folgt aus par. 128 HGB [...].

[...]

Die Beklagten haben mithin gemäß par. 128 HGB für den Kaufpreisanspruch zu haften, der der Klägerin gegenüber der von ihnen betriebenen OHG zusteht. Dieser Kaufpreisanspruch ergibt sich aus Art. 53 CISG.

Unstreitig haben die Klägerin und die von den Beklagten betriebene OHG im Jahr 1989 mehrere Kaufverträge über die Lieferung von Textilien geschlossen, wobei von dem vereinbarten Gesamtkaufpreis ... noch ein [Teil-]Betrag ... offensteht.

Auf diese sich aus den Kaufverträgen ergebenden Rechtsbeziehungen finden die Vorschriften des vorgenannten Übereinkommens der Vereinten Nationen über den internationalen Warenkauf Anwendung. Die Anwendbarkeit ergibt sich zwar nicht aus der unmittelbaren Geltung dieser Vorschriften als innerstaatliches deutsches Recht, da das Übereinkommen für die Bundesrepublik Deutschland erst am 1. 1. 1991 in Kraft getreten ist (vgl. Bekanntmachung vom 23. 10. 1990, BGBl. 1990 II, S. 1477), die hier zu beurteilenden Kaufverträge jedoch bereits aus dem Jahre 1989 stammen. Die Geltung des Übereinkommens folgt hier aber daraus daß für die vorliegenden Verträge die allgemeinen Regeln des deutschen Internationalen Privatrechts anwendbar sind mit der Folge, daß nach Art.28 Abs. 1 und 2 EGBGB auf die Verträge prinzipiell französisches Recht Anwendung findet, das seinerseits bereits seit dem 1.1.1988 die Anwendung des Übereinkommens vorsieht.

Die vorgenannten, im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch normierten allgemeinen Kollisionsrechtsnormen des deutschen Internationalen Privatrechts greifen im vorliegenden Fall deshalb ein, weil die hier in Rede stehenden Geschäfte nicht in den Anwendungsbereich des Einheitlichen Kaufgesetzes (EKG) vom 17.7.1973 (BGBl. 1973 II, S. 885) fallen. Denn nach Art. 1 EKG gilt dieses Gesetz nur für näher bestimmte internationale Kaufverträge über bewegliche Sachen, wenn die Parteien ihre Niederlassung im Gebiet verschiedener Vertragsstaaten haben. Vertragsstaaten in diesem Sinne sind nach Art. 102 EKG die Länder, die das Übereinkommen zur Einführung eines Einheitlichen Gesetzes über den internationalen Kauf beweglicher Sachen ratifiziert haben oder ihm beigetreten sind. Da Frankreich nicht Vertragsstaat dieses Abkommens war, greift im vorliegenden Fall die spezielle Kollisionsnorm des Art. 1 EKG, die grundsätzlich Vorrang vor den allgemeinen deutschen IPR-Regeln hätte (vgl. BGHZ 96, 313, 3164; MüKo/Martiny, 2. Aufl., Anh. I zu Art. 28 EGBGB, Rdn. 43 m.w. Nachw.), nicht ein.

Im Rahmen der folglich anzuwendenden allgemeinen deutschen IPR- Regeln findet hier Art. 28 Abs. 1 und 2 EGBGB Anwendung. Dies folgt daraus, daß nicht angenommen werden kann, daß die Vertragsparteien bei dem Abschluß der Verträge oder nachträglich eine Rechtswahl im Sinne des Art. 27 EGBGB - etwa zur Anwendbarkeit deutschen Rechts - getroffen haben. Keine der Parteien hat ausdrücklich vorgetragen, daß bei Abschluß der Verträge ausdrücklich die Anwendbarkeit deutschen Rechts vereinbart worden sei. Auch von einer stillschweigenden Rechtswahl kann nicht ausgegangen werden. Es sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, die darauf hindeuten, daß die Vertragsparteien bei Vertragsschluß stillschweigend von der Anwendung deutschen Rechts ausgegangen sind. Ebensowenig kann eine stillschweigende Rechtswahl für deutsches Recht in dem Verhalten der Parteien im Prozeß gesehen werden. Zwar kann es insoweit ausreichen, wenn beide Parteien stillschweigend von der Geltung deutschen Rechts ausgegangen sind. Hinreichend klare und eindeutige Erklärungen der Parteien darüber, welches Recht hier zur Anwendung kommen soll, sind jedoch nicht erkennbar.

Mangels Rechtswahl richtet sich folglich gemäß Art. 28 Abs. 1 EGBGB die Beurteilung der Verträge nach der Rechtsordnung des Staates, zu dem sie die engste Verbindung aufweisen; nach der Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB ist dies der Staat, in dem der Vertragspartner, der die charakteristische Leistung zu erbringen hat, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses seine Hauptverwaltung bzw. Hauptniederlassung hat. Bei den vorliegenden Verträgen handelt es sich um Kaufverträge, bei denen die charakteristische Leistung vom Verkäufer erbracht wird (vgl. OLG Frankfurt NJW 1991, 3102; Palandt/Heldrich, 52. Aufl., Art. 28 EGBGB, Rdn. 8 m.w.Nachw.; MüKo/Martiny, a.a.O., Art. 28 EGBGB, Rdn. 112 m.w.Nachw.). Das bedeutet, daß im vorliegenden Fall französisches Recht anwendbar ist, weil die Klägerin ihre gewerbliche Niederlassung in Frankreich hat und von dort aus auch die Leistung zu erbringen war.

Da Frankreich seit dem 1.1.1988 Vertragsstaat des Übereinkommens der Vereinten Nationen über den internationalen Warenkauf ist und keinen Vorbehalt nach Art. 95 CISG erklärt hat (vgl. MüKo/Martiny, a.a.O., Anh. II zu Art.28 EGBGB, Rdn. 2; von Caemmerer/Schlechtriem, Kommentar zum einheitlichen UN- Kaufrecht, vor Art. 1-6 CISG, Rdn. 17), unterliegt die Beurteilung der Rechtsbeziehungen der Parteien diesem Übereinkommen.

Dabei liegen auch die weiteren Voraussetzungen hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs des Übereinkommens vor. Namentlich sind die Anforderungen des Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG erfüllt, weil es sich hier um Kaufverträge über Waren zwischen Parteien handelt, die ihre Niederlassungen in verschiedenen Staaten - die Klägerin in Frankreich und die Beklagte in Deutschland - haben.

Dem sich folglich aus Art. 53 CISG ergebenden Kaufpreisanspruch der Klägerin steht auch nicht - etwa nach Art. 81 CISG - entgegen, daß die Beklagten gegenüber dieser Forderung Gewährleistungsrechte geltend gemacht haben.

[...]

Auch insoweit finden nach den obengenannten Vorschriften die Bestimmungen des CISG Anwendung. Im Falle eines - hier vorliegenden - Gattungskaufs kann danach der Käufer bei der Lieferung einer nicht vertragsgemäßen Ware wahlweise einen Anspruch auf Nachbesserung (Art. 35, 45 Abs. 1 lit. a, 46 Abs. 1 und 3 CISG) oder auf Ersatzlieferung (Art. 35,45 Abs. 1 lit. a,46 Abs. 1 und 2 CISG) geltend machen oder Minderung (Art. 35, 45 Abs. 1 lit. a, 50 CISG), Schadensersatz (Art.35, 45 Abs. 1 lit. b, 74 CISG) oder Vertragsaufhebung (Art. 35, 45 Abs. 1 lit. a, 49 Abs. 1 lit. a CISG) verlangen.

Voraussetzung für die Geltendmachung dieser Gewährleistungsrechte ist jedoch nach Art.38, 39 CISG, daß der Käufer die Ware unverzüglich untersucht und etwaige Mängel innerhalb einer angemessenen Frist nach deren Feststellung bzw. nach Möglichkeit der Feststellung unter genauer Bezeichnung der Art der Vertragswidrigkeit angezeigt hat. Ist dies nicht geschehen, so verliert er das Recht, sich auf die Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, es sei denn, daß er eine vernünftige Entschuldigung für das Unterlassen der Mängelrüge hat (Art. 39 Abs. 1, 44 CISG). Wann der Käufer eine Vertragswidrigkeit hätte feststellen müssen, ergibt sich dabei aus den Vorschriften über die Untersuchungspflicht. Hierzu normiert Art. 38 CISG, daß die Ware in einer so kurzen Frist zu untersuchen ist, wie es die Umstände erlauben. Dies bedeutet, daß für die Bestimmung der Dauer der mit der Ablieferung der Ware beim Käufer beginnenden Untersuchungs- und Rügefrist die Umstände des Einzelfalles und die angemessenen Möglichkeiten der Vertragsparteien maßgeblich sind, wobei ein strenger Maßstab angelegt werden muß (vgl. BGH NJW 1982, 2730, 2732 m.w.Nachw. zu der weitgehend entsprechenden Regelung der Art. 38, 39 EKG; von Caemmerer/Schlechtriem, a.a.O., Art. 38 CISG, Rdn. 5 m.w. Nachw.).

Im vorliegenden Fall [...] war es ohne weiteres möglich, die Hemden unmittelbar nach deren Anlieferung - zumindest stichprobenartig - zu untersuchen und dabei auftretende Mängel jedenfalls innerhalb weniger Tage nach Anlieferung der Ware zu rügen. Daß dies geschehen wäre, haben die Beklagten nicht schlüssig dargetan ... [Der] angebliche [...] Zeitpunkt [...] einer Mängelrüge [...] braucht nicht weiter aufgeklärt zu werden. Denn zu diesem Zeitpunkt waren bereits seit der Anlieferung der Ware mehr als zwei Monate verstrichen. Diese Frist kann nicht mehr als 'angemessen' im Sinne des Art. 39 Abs. 1 CISG angesehen werden.

[...]

Hinsichtlich der von der Klägerin als Nebenforderung geltend gemachten [...] Inkassokosten [...] wird bei der erneuten Entscheidung zu berücksichtigen sein, daß der Klägerin zwar nach Art. 74 CISG im Falle einer Vertragsverletzung ein Schadensersatzanspruch zustehen kann, wobei unter Vertragsverletzung jede Form der objektiven Nichterfüllung einer Vertragspflicht zu verstehen ist, ohne daß der Schuldner erst in Verzug gesetzt werden muß (vgl. von Caemmerer/Schlechtriem, a.a.O., Art. 74 CISG, Rdn. 6 m.w. Nachw.). Zu prüfen wird jedoch sein, ob und gegebenenfalls inwieweit es sich bei den Kosten um notwendige Aufwendungen zur Beitreibung der Forderung gehandelt hat. Unbeschadet der in diesem Zusammenhang anzustellenden grundsätzlichen Erwägungen zur Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten für die Beitreibung einer Auslandsforderung hängt jedenfalls die Höhe der etwa erstattungsfähigen Inkassokosten davon ab, ob und in welcher Höhe die Aufrechnung durchgreift. Dies folgt daraus, daß die Höhe der von der Klägerin etwa gezahlten Inkassokosten entscheidend durch die Höhe der beizutreibenden Forderung bestimmt wird.

Im Umfang der der Klägerin zustehenden Hauptforderung stehen ihr nach Art. 78 CISG jedenfalls für den geltend gemachten Zeitraum Zinsen zu. Dabei bemißt sich die Zinshöhe nach dem gemäß dem Vertragsstatut anwendbaren französischen Recht, das nach Art. 28 Abs. 1 und 2 EGBGB auf den vorliegenden Vertrag Anwendung findet [...].

[...]}}

Source

Published in German:
- Recht der Internationalen Wirtschaft (RIW), 1995, 53-55}}