Data

Date:
05-11-1997
Country:
Germany
Number:
11 U 47/97
Court:
Oberlandesgericht Hamm
Parties:
Unknown

Keywords

JURISDICTION 1968 BRUSSELS CONVENTION - JURISDICTION FOR PLACE OF DELIVERY (ART. 31 CISG)

SCOPE OF CISG DISTRIBUTORSHIP AGREEMENT CISG APPLICABLE TO INDIVIDUAL CONTRACTS OF SALE
CONCLUDED UNDER THE AGREEMENT (ART. 1(1)(A) CISG)

INTEREST (ART. 78 CISG) RATE OF INTEREST - DETERMINED BY DOMESTIC LAW OTHERWISE APPLICABLE TO CONTRACT

Abstract

An Italian seller delivered in-line skates to a German buyer. As the buyer did not pay the purchase price after receiving delivery, the seller started a legal action to obtain payment. The buyer claimed set-off with its right to reduce the price deriving from lack of conformity of previous deliveries made by the seller and its right to restitution of part of the price already paid for them, as well as damages for violation of the distributorship agreement.

The Court applied CISG to the sales contract concluded under the distributorship agreement (Art 1(1)(a) CISG).

The first instance decision was confirmed and the buyer condemned to pay the remaining purchase price (Art. 53 CISG).

As to the set-off claim by the buyer, the Court denied its jurisdiction. According to Art. 5(1) of the EC Convention on Jurisdiction and Enforcement of Judgements in Civil and Commercial Matters (Brussels 1968), a person domiciled in a contracting State (in the case at hand, the seller) may be sued in the court for the place of performance of the obligations in question (i.e. delivery of conforming goods). Therefore, since delivery was to be made by handing over the goods to the first carrier in Italy (Art. 31(a) CISG), Italian courts were competent both for the claim for reduction of price (Art. 50 CISG) and for restitution of price already paid (Art. 81(2) CISG).

Further the Court awarded the seller the right to interest on the purchase price under Art. 78 CISG. The interest rate was determined according to the otherwise applicable Italian law.

Fulltext

[…]

T a t b e s t a n d:

Die in Montebelluna/Italien ansässige Klägerin ist Herstellerin von sog. Inlineskates; die in Münster ansässige Beklagte vertreibt solche Inlineskates.

Im Frühjahr/Sommer 1996 belieferte die Klägerin die Beklagte auf deren Bestellung mit Inlineskates und sonstigen Skaterartikeln. Sie erteilte der Beklagten hierüber folgende Rechnungen:

1033 vom 30.4.1996 über 258.850,32 DM
1348 vom 9.5.1996 über 87.413,49 DM
1409 vom 27.5.1996 über 350.478,46 DM
1771 vom 24.6.1996 über 15.485,08 DM.

Die Rechnungen waren 10 Tage ab Rechnungsdatum fällig; Zahlungen leistete die Beklagte nicht. Unter Berücksichtigung einer der Beklagten erteilten Gutschrift von 1.241,60 DM hat die Klägerin die Beklagte deshalb mit der im September 1996 erhobenen Klage auf Zahlung des
Gesamtbetrages in Anspruch genommen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 710.985,75 DM nebst 10 % Zinsen von 257.608,72 DM seit dem 11.5.1996, von 87.413,49 DM seit dem 10.5.1996, von 350.478,46 DM seit dem 7.6.1996 und von 15.485,08 DM seit dem 5.7.1996 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich mehrerer Gegenforderungen berühmt und mit diesen die Aufrechnung gegen die Klageforderung erklärt. Sie hat behauptet:

Andere nicht streitgegenständliche Lieferungen der Klägerin von Skaterartikeln hätten Fehlmengen aufgewiesen; die diesen Lieferungen zugrunde liegenden Rechnungen seien deshalb in Höhe von 4.020, DM und 7.068, DM überzahlt worden. Außerdem seien aus ebenfalls nicht
streitgegenständliche weiteren Lieferungen der Klägerin Waren im Wert von 4.615, DM zurückgesandt worden, die ihr die Klägerin zuvor in Rechnung gestellt habe. Die vorgenannten Beträge so hat die Beklagte gemeint müsse ihr die Klägerin zurückerstatten.

Desweiteren hat die Beklagte einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung in Höhe von insgesamt 1.209.428,25 DM geltend gemacht, den sie aus folgendem Sachverhalt herleitet:

Im Juli 1992 schlossen die Klägerin sowie die Beklagte und die in Konstanz ansässige Fa. F. einen in englischer Sprache gefaßten Vertrag, in dem die Klägerin der Beklagten sowie der Fa. F. die exklusiven Vertriebsrechte für die von ihr hergestellten Inlineskates auf dem deutschen Markt einräumte. Die Beklagte und die Fa. F. wiederum teilten den deutschen Markt dahingehend unter sich auf, daß die Beklagte Inlineskates in Norddeutschland und die Fa. F. in
Süddeutschland exklusiv vertreiben sollte. In Punkt 5 des Vertrages vom Juli 1992 heißt es:

"This contract will have a duration of 3 years with the expiry date the 31/7/1995 and it will be automatically renewed for the same period if one of the two sides will not give the notice 3 month before the above mentioned expiry date."

Mit Schreiben vom 29.3.1995 teilte die Klägerin der Beklagten folgendes mit:
"Regarding the July 1992 contract which has given you the exclusive inline skates distribution for North Germany, we inform you with this fax that such contract, as per point 5, will not be automatically renewed. The renewal will have to be discussed by the two companies."

Die Beklagte hat behauptet:
Bei einem Treffen mit der Klägerin am 20.4.1995 in Montebelluna sei vereinbart worden, daß eine Kündigung des Vertrages vom Juli 1992 zum 31.7.1995, die wie die Beklagte gemeint hat im Schreiben der Beklagten vom 29.3.1995 nur angekündigt worden sei, nicht habe erfolgen sollen. Vielmehr sei der Zeitpunkt der Kündigung einvernehmlich bis zum 31.7.1996 hinausgeschoben worden; falls zu diesem Zeitpunkt nicht gekündigt werde, habe sich der Vertrag automatisch um drei weitere Jahre ver1ängern sollen. Eine Kündigung zum 31.7.1996 sei aber unstreitig von keiner Partei erklärt worden. Trotzdem habe die Klägerin ebenfalls unstreitig ab Januar 1996 keine neuen Bestellungen von ihr, der Beklagten, mehr angenommen. Dadurch sei ihr für die Zeit bis zum 31.7.1996 ein Gewinn in Höhe von 452.313,60 DM und für die Zeit bis Ende Dezember 1996 ein Gewinn in Höhe von weiteren 757.114,60 DM entgangen.

Die Klägerin hat demgegenüber die Ansicht vertreten, der Vertrag vom Juli 1992 habe sich aufgrund des Schreibens vom 29.3.1995 nicht automatisch verlängert. Sie hat insbesondere eine Vereinbarung über das Hinausschieben des Kündigungszeitpunktes sowie die Höhe des geltend gemachten entgangenen Gewinns bestritten. Außerdem hat sie die internationale Zuständigkeit des LG Münster zur Entscheidung über die Aufrechnungsforderungen gerügt.

Die Frage der Beendigung des Vertrages vom Juli 1992 und das Bestehen oder Nichtbestehen von Schadensersatzansprüchen ist Gegenstand von Feststellungsklagen, die die Klägerin gegen die Beklagte im Mai/Juni 1996 vor dem Tribunale di Treviso und die Beklagte gegen die Klägerin vor dem LG Münster erhoben haben. Das LG Münster hat die Entscheidung darüber gem. Art. 21 1 EuGVÜ ausgesetzt.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Die Klageforderung sei aus Art. 53 CISG begründet. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung sei unberücksichtigt zu lassen, weil das LG Münster mangels internationaler Zuständigkeit zu einer Entscheidung hierüber nicht befugt sei. Die Zuständigkeit des LG Münster lasse sich insbesondere nicht aus der Rechtsprechung zu den sog. sekundären Zahlungspflichten herleiten. Denn diese betreffe nur den Fall, daß Ersatzansprüche wegen Schlecht- oder Nichterfüllung des Kaufvertrages geltend gemacht würden, auf den die Klageforderung gestützt werde. Darum gehe es hier nicht. Die Beklagte leite keine Ersatzansprüche aus den hier in Rede stehenden vier Lieferungen, deren Bezahlung die Klägerin verlange, her, sondern aus der Verletzung des Vertrages über die exklusiven Vertriebsrechte.

Aber selbst wenn man auch diese Ersatzansprüche zu den sekundären Zahlungspflichten zählen wollte, sei das LG Münster international nicht zuständig. Denn Zahlungsort und Gerichtsstand für die Erfüllung der in diesem Rechtsstreit geltend gemachten Kaufpreisforderung sei nach Art. 57 CISG i.V.m. Art. 5 EuGVÜ das italienische Gericht am Sitz der Klägerin, so daß auch ein Rechtsstreit über sekundäre Ersatzansprüche dort zu führen sei. Daß die Klägerin aus welchen Gründen auch immer sich entschlossen habe, diesen Gerichtsstand nicht in Anspruch zu
nehmen, ändere daran nichts.

Bleibe man dabei, daß die Beklagte Ersatzansprüche aus einem Vertrag herleite, der mit den hier in Rede stehenden vier Lieferungen nichts zu tun habe, beurteile sich die internationale Zuständigkeit danach, wo nach allgemeinen Grundsätzen die Verpflichtungen aus diesem Vertrag zu erfüllen waren. Das aber sei ungeachtet der Tatsache, daß sich der vereinbarte Exklusiv- und Gebietsschutz auf deutsches Gebiet beziehe ebenfalls der in Italien gelegene Sitz der Klägerin.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit der Berufung.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Berufung ist unbegründet.

A. Der Klägerin steht die geltend gemachte Klageforderung zu (I); sie ist durch die von der Beklagten erklärte Prozeßaufrechnung nicht erloschen (II).

I . Der Kaufpreisanspruch findet seine Rechtsgrundlage in Art. 53 CISG, der Zinsanspruch in Art. 78 CISG.

1 . Auf die Rechtsbeziehungen der Parteien ist soweit es um die mit der Klage geltend gemachte Kaufpreisforderung geht das CISG anzuwenden, das in Italien am 1.1.1988 und in Deutschland am 1.1.1991 in Kraft getreten ist. Dies gilt unabhängig von der Frage, nach welchem Recht der Rahmenvertrag vom Juli 1992 über die exklusiven Vertriebsrechte zu beurteilen ist. Denn der Rahmenvertrag ist von den in seiner Ausführung geschlossenen einzelnen und rechtlich selbständigen Kaufverträgen zu trennen, auch wenn der Inhalt dieser Einzelverträge durch den Rahmenvertrag teilweise vorgegeben ist (vgl. BGH NJW 1979, 1782; Baumbach/Hopt, HGB, 29.Aufl., Überbl. v. § 373 Rz.13). Mit Rücksicht auf diese rechtliche Selbständigkeit der Einzelkaufverträge ist auch das diesbezüglich anwendbare Recht gesondert zu ermitteln, was
hier zur Anwendung des CISG führt (so auch OLG Düsseldorf RIW 1996, 958).

2. Die Kaufpreisforderung ist sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zwischen den Parteien außer Streit.

Die Höhe des im CISG nicht geregelten Zinssatzes richtet sich nach einhelliger Meinung auch nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. IPRax 1996, 197) nach der Zinshöhe derjenigen Rechtsordnung, die nach den Bestimmungen des Internationalen Privatrechts für die vom
CISG nicht geregelten Rechtsfragen gilt. Danach bestimmt sich die Zinshöhe nach italienischem Recht, da die Klägerin als Verkäuferin die gemäß Art. 28 11 1 EGBGB vertragstypische Leistung zu erbringen hat. Nach italienischem Recht beträgt der gesetzliche Zinssatz mehr macht
die Klägerin auch nicht geltend seit dem 16.12.1990 10% p.a. (vgl. Piltz, NJW 1996, 2768, 2772; Kindler, IPRax 1996, 16, 21). Substantiierte Einwendungen gegen den Zinsbeginn hat die Beklagte nicht erhoben.

II. Die Klageforderung ist auch nicht durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen.

1. Zu Recht hat das Landgericht seine internationale Zuständigkeit zur Entscheidung über die Gegenforderungen verneint und deshalb die Aufrechnung unberücksichtigt gelassen.

a. Da die Entscheidung über die Aufrechnungsforderung(en) der materiellen Rechtskraft fähig ist (§ 322 11 ZPO), können die deutschen Gerichte darüber nur entscheiden, wenn sie auch insoweit international zuständig sind. Der Senat folgt insoweit der st. Rspr. des BGH (vgl. NJW 1993, 2753; NJW 1973, 421) und der wohl h.M. in der Literatur (vgl. Geimer/Schütze, Europ. Zivilverfahrensrecht, Art. 6 Rz. 64 ff. m.w.N. zum Streitstand).

[... ]

b . Die internationale Zuständigkeit des LG Münster zur Entscheidung über die Gegenforderungen wäre allerdings auch nach der hier vertretenen Ansicht zu bejahen, wenn die deutschen Gerichte für die selbständige klageweise Geltendmachung dieser Ansprüche zuständig wären. Das ist hier aber nicht der Fall.

aa. Nach Art. 2 1 EuGVÜ - nach dessen Bestimmungen sich die internationale Zuständigkeit in erster Linie richtet - wären die italienischen Gerichte zuständig, weil die Klägerin ihren Sitz in Italien hat.

bb. Auch Art. 5 Nr.1 EuGVÜ begründet keine davon abweichende Zuständigkeit der deutschen Gerichte.

[...]

(2) Soweit die Beklagte wegen angeblicher Fehlmengen aus bereits bezahlten, nicht streitgegenständlichen Lieferungen offenbar Minderung (Art. 50 CISG) geltend machen und mit entsprechenden Rückzahlungsansprüchen (4.020, DM und 7.068, DM) aufrechnen will, ist der Erfüllungsort i.S.d. Art. 5 Nr.1 EuGVÜ ebenfalls in Italien. Hat der Minderung geltend machende Käufer den Kaufpreis bereits bezahlt, so kann er die Klage auf teilweise Rückzahlung (Art. 81 11 CISG) am allgemeinen Gerichtsstand des Verkäufers oder am Gerichtsstand des Erfüllungsortes der Lieferpflicht erheben (vgl. Huber in v. Caemmerer/Schlechtriem, CISG, 2.Aufl., Art. 45 Rz.63 und Art. 50 Rz.16). In beiden Fällen liegt der Gerichtsstand in Italien, weil die Klägerin dort ihren Sitz hat und weil soweit es um den Erfüllungsort ihrer Lieferpflicht geht die Klägerin die Ware unstreitig dem ersten Beförderer in Italien übergeben hat (Art. 31 lit. a) CISG) .

Soweit die Beklagte mit einem Anspruch wegen zurückgesandter, angeblich aber vorher schon bezahlter Ware (4.615, DM) aufrechnen will, ist der Gerichtsstand ebenfalls in Italien. Sollte die Beklagte diesen Anspruch aus Art. 81 11 CISG herleiten wollen, ergibt sich dies aus den vorstehenden Erwägungen. Sollte sie diesen Anspruch dagegen aus ungerechtfertigter Bereicherung herleiten wollen - für den Art. 5 Nr.1 EuGVÜ grds. nicht gilt (vgl. Geimer/Schütze, a.a.O., Art. 5 Rz. 32) - ergibt sich dies aus der dann wiederum maßgebenden allgemeinen
Zuständigkeit nach Art. 2 1 EuGVÜ.

[...]

2. Aber selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht die internationale Zuständigkeit des LG Münster annehmen wollte, wäre die Berufung unbegründet, weil die Aufrechnung auch der Sache nach keinen Erfolg haben könnte. Dies ergibt sich aus folgenden (Hilfs-)Erwägungen:

a . Die Voraussetzungen und die Wirkung der Aufrechnung wären nach italienischem Recht zu beurteilen.

aa. Da die Aufrechnung selbst im CISG nicht geregelt ist, werden ihre Voraussetzungen und Wirkungen über Art. 32 Nr.4 EGBGB der Rechtsordnung entnommen, die nach dem internationalen Privatrecht für die Hauptforderung, gegen die aufgerechnet werden soll, gilt (h.M.; vgl. Senat IPRax 1996, 269; OLG Düsseldorf RIW 1996, 958; Schlechtriem, UN Kaufrecht, Rz.42). Danach ist über Art. 28 11 EGBGB italienisches Recht anzuwenden, weil die in Italien ansässige Klägerin die für die Hauptforderung (Kaufpreisforderung) maßgebende charakteristische Leistung zu erbringen hat.

bb. Nach italienischem Recht richtet sich die Aufrechnung nach Art. 1241, 1252 c.c.

[...]

(b) Hinsichtlich der übrigen Gegenforderungen will die Beklagte offenbar nach Art. 45 1 lit. a CISG die in Art. 46 bis 52 vorgesehenen Rechte ausüben - wobei vornehmlich ein Anspruch aus Minderung nach Art. 50,51 CISG in Betracht zu ziehen wäre oder aber einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Die Nichtberechtigung dieser Ansprüche kann aber schon deshalb "leicht und schnell" festgestellt werden, weil die Beklagte in beiden Instanzen weder für die behaupteten Fehlmengen noch für die behauptete vorherige Bezahlung der zurückgesandten Ware Beweis angetreten hat.

[…]}}

Source

Published in German:
- University of Freiburg Website (http://www.jura.uni-freiburg.de/)}}