Data

Date:
15-07-2003
Country:
Germany
Number:
7 O 221/02
Court:
Landgericht Mönchengladbach
Parties:
--

Keywords

VIOLATION OF GOOD FAITH (ART. 7 CISG) - GENERAL PRINCIPLE IN CISG - NO SET-OFF WHEN THE OBLIGEE OF THE SET-OFF CLAIM DOES NOT RESERVE ITS RIGHT

SET-OFF – MATTER EXCLUDED FROM CISG (ART. 4) - DOMESTIC LAW APPLICABLE (ART. 7(2) CISG)

RIGHT TO INTEREST (ART. 78 CISG)– INTEREST RATE – TO BE DETERMINED BY DOMESTIC LAW OTHERWISE APPLICABLE TO THE CONTRACT

Abstract

An Italian seller and a German buyer entered into a contract for the sale of goods. The buyer refused to pay the purchase price and set off its obligation against a counter-claim for lack of conformity of the goods. The seller objected to the counter-claim and commenced an action for full recovery of the purchase price.

The Court awarded the seller the purchase price, but dismissed the claim for interest.

The Court found that the obligation to pay the price had not been discharged by the buyer´s attempt to set it off against the counter-claim, and this for two reasons. First, because in the case at hand set-off is contrary to the principle of good faith set out in Art. 7(1) CISG, as the buyer had previously asked for payment in instalments and actually offered to make a partial payment without reserving the right to set-off.

Moreover, even if the buyer’s conduct were not to be considered as a violation of its duty to act in good faith, the result would not have been different: indeed the Court held that according to Art. 7 (2) CISG set-off has to be decided on the basis of the applicable domestic law as it is not a matter governed by CISG. In the case at hand the applicable law was Italian law and the Court found that the requirements for set-off under Italian law had not been met because the counter-claim was neither ascertained nor enforceable.

Fulltext

Entscheidungsgründe

Die Klage ist bis auf die geringfügige Mehrforderung der Zinsen begründet.
1. Der Anspruch auf Kaufpreiszahlung ergibt sich aus Artt. 62, 61 Abs. 1 lit.
a, 53 CISG. Die Parteien haben unstreitig Kaufverträge abgeschlossen
aus denen sich rein rechnerisch ein unstreitiger Saldo zugunsten der
Klägerin in Höhe von 51.840,82 € ohne die Aufrechnung, auf die noch
unter Ziffer II. eingegangen wird, ergibt. Ob es sich hierbei auch
angesichts der Schreiben der Beklagten vom 24. 6. 2002, 18. 9. 2002 und
vom 10. 10. 2002 um Schuldanerkenntnisse handelt kann offen bleiben,
denn die Höhe der Kaufpreisforderung ist zwischen den Parteien
unstreitig.

II. Der Anspruch der Klägerin auf Kaufpreiszahlung ist nicht durch
Aufrechnung untergegangen. Selbst wenn zugunsten der Beklagten in
weiter Auslegung der Urteile des EuGH vom 13. 7. 1995 (NJW 1996, 42)
und des BGH vom 7.11.2001 (Betriebsberater 2002, 14ff) von der
Zulässigkeit der Aufrechnung selbst für nicht konnexe Gegenforderungen
ausgegangen wird und das angerufene Gericht als international zuständig
nach Art. 6 Nr.3 EuGVO analog bzw. § 33 ZPO analog angesehen wird, ist
die Aufrechnung aus mehreren Gründen sachlich nicht gerechtfertigt.
1. Im vorliegenden Fall widerspricht die Aufrechnung zu nächst Treu und
Glauben gemäß § 242 BGB. Mit Schreiben vom 24. 6. 2002 hat die
Beklagte einen Ratenzahlungsvorschlag un terbreitet und damit die
Klägerin in dem Glauben belassen, es liege lediglich eine vorübergehende
Zahlungsschwierigkeit wegen der schlechten Zahlungsmoral der Kunden
der Beklagten vor. In diesem Schreiben war noch nicht die Rede von
Mängeln oder Gegenansprüchen. Auch mit dem weiteren Schreiben vom
18. 9. 2002 hat die Beklagte die Klägerin hingehalten und eingeräumt, ein
Liquiditätsproblem zu haben. Zum Zeichen ihres guten Willens hat sie für
denselben Tag eine Zahlung von 2.500,00 € in Aussicht gestellt. Auch hier
konnte die Klägerin nicht damit rechnen, dass die Beklagte plötzlich mit
Gegenforderungen aufrechnet (vgl. auch BGHZ 120, 394 zu der
vergleichbaren Situation bei einem Anspruch aus einem Vergleich, wenn
die Gegenforderung bei Vergleichsabschluss bekannt war und kein
Aufrechnungsvorbehalt gemacht worden.

2. Unabhängig von den vorhergehenden Ausführungen liegen jedoch auch
die Voraussetzungen der Aufrechnung nach italienischem Recht nicht vor.
Art. 7 CISG erklärt für vom CISG nicht geregelte Fragen das vom
Internationalen Privatrecht des Forumstaates berufene Recht für
anwendbar. Das Institut der Aufrechnung ist nach herrschender Meinung
im Schrifttum (Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, 2. Aufl., Rdnr.
42e; Piltz NJW 2000, 553 556) und der Rechtsprechung (OLG Koblenz,
RIW 1993, 934; OLG Stuttgart in RIW 1995, 943, 944; OLG Düsseldorf
vom 11.7. 1996 in CISG-online Nr. 201) im CISG nicht geregelt.
Hiergegen wird zwar eingewandt, die Aufrechnung sei dann im CISG
geregelt, wenn die gegenseitigen Ansprüche konventionsintern
aufrechenbar seien, also sowohl der Hauptanspruch als auch der
Gegenanspruch aus einem Vertragsverhältnis resultierten, das dem CISG
unterliege (vgl. Staudinger/Magnus, Artikel 4 CISG Rdnr. 47; OLG
Hamburg IHR 2001, 19ff; OLG München vom 9. 7. 1997, CISG-online Nr.
282). Die Kammer folgt der Mindermeinung nicht. Ausdrücklich ist die
Aufrechnung im CISG nicht geregelt, sondern nur die Verrechnung des
zurückzuzahlenden Kaufpreises mit dem Wert der Gebrauchsvorteile auf
der Grundlage des Artikel 84 Abs. 2 CISG oder die Beachtung der
Gegenleistungspflicht bei der Verpflichtung der Herausgabe der Leistung
Zug-um-Zug gegen die Gegenleistung. Dies sagt aber noch nichts über die
Aufrechnung aus:
Die Verrechnung von Ansprüchen auf Herausgabe und Ge
brauchsvorteilsersatz bzw. die Berücksichtigung der Gegenlei stung bei
der Veurteilung Zug-um-Zug auf der einen Seite und die Aufrechnung auf
der anderen Seite sind nicht vergleichbar, denn bei der Aufrechnung
können ausschliesslich Geldforderungen miteinander verrechnet werden,
während dies bei der Berücksichtigung der Gegenleistung bei der
Verurteilung Zug-um-Zug nicht zwingend der Fall ist. Des Weiteren
bestehen erhebliche Unterschiede zwischen Aufrechnung, Verrechnung
und Berücksichtung einer Leistungspflicht bei der Verurteilung Zug-um-
Zug dahin, dass die Aufrechnung wie im deutschen Recht das einen
Willensakt beinhaltendes Rechtsgeschäft voraussetzt — die
Aufrechnungserklärung — oder — zumindest Wie im italienischen Recht
— die prozessuale Geltendmachung (vgl. Kindler, Einführung in das
italienische Recht, § 14 Rdnr. 15).

3. Das vom Internationalen Privatrecht des Forumstaates berufene Recht
ist nach Artt. 32 Nr. 2, 28 Abs. 1 und 2 EGBGB italienisches Recht. Die
vertragscharakteristische Leistung in einem Kaufvertrag ist die des
Verkäufers. Hier ist der Sitz der Verkäuferin in Italien. Hierauf hat die
Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 3.6. 2003 hingewiesen Die
Voraussetzungen einer Aufrechnung nach italienischem Recht liegen nicht
vor. Das italienische Recht kennt nur drei Arten der Aufrechnung: die
einvernehmliche (Art. 1252 C.c.), die gesetzliche (Art. 1243 Abs. 1) und die
gerichtliche Aufrechnung (Art. 1243 Abs. 2 C.c.), Keine dieser
Voraussetzungen ist gegeben. Die einvernehmliche Aufrechnung scheitert
daran, dass die in Rede stehenden Sachmängelansprüche der Beklagten
von der Klägerin bestritten werden. Die Voraussetzungen einer
gesetzlichen Aufrechnung ipso iure liegen ebenfalls nicht vor, da die
Forderungen nach Art. 1243 C.c. gleichartig, eintreibbar und
entscheidungsreif sein müssen und es an der Entscheidungsreife fehlt.
Entscheidungsreif sind Forderungen nur dann, wenn sie nicht bestritten
oder nur in einer offensichtlich Unbegründeten Weise von der Gegenpartei
bestritten worden sind (vgl. Kindler, Einführung in das italienische Recht, §
14 Rdnr. 15). Die Klägerin hat hier das Vorliegen von
Sachmängelhaftungsansprüchen der Beklagten bestritten. Es spricht viel
dafür, dass die Beklagte möglicherweise die Mängelrügefrist des Artikel 39
Abs. 1 CISG nicht eingehalten hat sodass die Gegenforderungen aus
Sachmängelhaftung präkludiert sein könnten Auch die Voraussetzungen
einer gerichtlichen Aufrechnung liegen nicht vor, da die Forderungen dazu
leicht und schnell feststellbar sein müssten. Dies ist angesichts des
umfangreichen Vortrags der Beklagten nicht der Fall. Selbst wenn die
Mängelrügefrist eingehalten sein sollte müsste in jedem Einzelfall durch
Beweisaufnahme festgestellt werden, ob die von Seiten der Klägerin
gelieferten Filter undicht waren. Selbst wenn dies sich beweisen ließe
müsste des Weiteren die Höhe des Schadens (Reklamationskosten,
Reisekosten und entgangener Gewinn) im Einzelnen festgestellt werden
durch eine umfangreiche Beweisaufnahme.

III. Soweit die Beklagte vorträgt, mit der Klägerin sei Raten zahlung
vereinbart worden ist ihr Vortrag sowohl unschlüssig als auch unerheblich.
Die Beklagte hat das Schreiben, in dem die angebliche Ratenzahlung
vereinbart worden sein soll, nicht vorgelegt. Sie hat nicht gesagt, wann
diese im Einzelnen getroffen worden sein soll. Sie hat insoweit auch
keinen Beweis angetreten und im Übrigen nicht vorgetragen, dass sie sich
an mögliche Ratenzahlungsvereinbarungen konsequent gehalten hat.
IV Der Anspruch auf Zinsen ist in Höhe von 10,25% vom 29.11.2002 bis 5.
12.2002 und in Höhe von 9,75% ab dem 6. 12. 2003 aus Artt. 78, 58 Abs.
1 CISG in Verbindung mit^Art. 28 Abs. 1, 2 EGBGB, Art. 1284 Codice
civile, Decreto Ministeriale del Ministro del Tesoro vom 11. 12. 2000 und
Art. 5(1) der Zahlungsverzugsrichtlinie 2000/35/EG vom 29.6.2000
begründet.
Der Anspruch des Klägers auf Kaufpreiszahlung ist fällig im Sinne des Art.
58 Abs. 1 CISG und die Waren wurden bereits an die Beklagte übergeben.
Zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit nach deutschem Recht war der
Kaufpreisanspruch ebenfalls fällig. Soweit die Klägerin im Hinblick auf die
Zinsforderung von der Anwendbarkeit deutschen Rechts ausgeht ist darauf
hinzuweisen, dass es Zinsen in Höhe von „8% über dem Basiszinssatz“
nur nach deutschem Recht geben könnte, das jedoch auch im Hinblick auf
die Zinsforderung vorliegend nicht anwendbar ist. Die Höhe der Zinsen
liegt 7 Prozentpunkte über dem Zinssatz, der von der Europäischen
Zentralbank auf ihre jüngste Hauptrefinanzierungsoperation angewandt
wurde (vgl. Kindler RIW 4/2003, 241, 244). Dies sind vom 29. 11.2002 bis
5. 12. 2002 10,25%, ab dem 6. 12. 2003 9,75%. Die Klägerin hat Zinsen in
Höhe von 8% über dem Basiszinssatz beantragt. Dem entsprachen am
29.11.2002 10,47%. Insofern war die Klägerin in der über die oben
genannten Beträge von 10,25 und 9,75% hinausgehende Summe
abzuweisen. Italienisches Recht ist auch anwendbar, da die Zinshöhe im
CISG nicht geregelt ist (vgl. Schlechtriem/Eberstein/Bacher, Kommentar
zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 2. Aufl., Artikel 78 Rdnr. 21) und
demnach nach herrschender Meinung das Recht der lex causae zur
Anwendung kommt, da dieses die engste Verknüpfung mit dem
Vertragsverhältnis hat. Die lex causae ist vorliegend über Art. 28 Abs. 1, 2
EG BGB italienisches Recht.}}

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Published in original:
- available at the University of Basel website, http://www.cisg-online.ch}}