Data

Date:
21-10-1999
Country:
Switzerland
Number:
A 3 1997 61
Court:
Kantonsgericht des Kantons Zug
Parties:
Unknown

Keywords

BUYER'S RIGHT TO DAMAGES FOR NON DELIVERY BY SELLER - NO COVER PURCHASE - DIFFERENCE BETWEEN CONTRACT PRICE AND MARKET PRICE AT TIME OF AVOIDANCE (ART. 76 CISG)

Abstract

A German seller and a Swiss buyer concluded a contract for the supply of plastic material (PVC). The seller however did not deliver and the buyer declared the contract avoided, refusing to pay the price. The seller commenced an action to recover payment and the buyer counterclaimed damages.

The Court held that the buyer was entitled to avoid the contract for non performance by the seller and to obtain damages. As to the calculation of the damages suffered by the buyer, the Court observed that lacking a cover purchase by the buyer, the provisions in Art. 76 applied, according to which the buyer was entitled to the difference between the price fixed by the contract and the current average market price at the time of avoidance of the contract. The buyer was further granted interest on such sums (Art. 78 CISG), accruing from the time damages were due, at the rate determined by the domestic law otherwise applicable to the contract.

Fulltext

[…]

Sachverhalt

[…]

1 . Die Klägerin ist in Deutschland domiziliert, die Beklagte hat ihren Sitz in der Schweiz. Es liegt somit ein internationaler Sachverhalt im Sinne von Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht vorn 18. Dezember 1987 (IPRG) vor. Gemäss Art. 1 Abs. 2 IPRG bleiben hinsichtlich der Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte sowie hinsichtlich des anzuwendenden Rechts die völkerrechtlichen Verträge vorbehalten. Im Folgenden ist zu prüfen, ob das Kantonsgericht Zug zur Beurteilung des vorliegenden Falles zuständig ist und welches Recht zur Anwendung gelangt.

1.1 Die örtliche Zuständigkeit richtet sich im vorliegenden Fall nach dem Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen vorn 16. September 1988 (LugÜ). Dieses trat für die Schweiz am 1. Januar 1992 und für Deutschland am 1. März 1995 in Kraft. Gemäss Art. 1 LugÜ ist das Übereinkommen auf Zivil- und Handelssachen anzuwenden. Mit der vorliegenden Klage bzw. Widerklage machen die Parteien Forderungen aus der Lieferung von Waren (PVC und anderen Kunststoffen) geltend. Mithin handelt es sich um einen Anspruch aus vertraglichem Schuldrecht, der vom LugÜ erfasst wird (s. Botschaft des Bundesrates vorn 21. Februar 1990 betreffend das LugÜ, S. 18; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. A., Heidelberg 1998, N 11 ff. zu Art. 1 LugÜ). Das Kantonsgericht des Kantons Zug ist daher gemäss Art. 2 Abs. i in Verbindung mit Art. 53 LugÜ für die Klage und gemäss Art. 6 Ziff. 3 LugÜ für die Widerklage örtlich zuständig. Die sachliche bzw. funktionale Zuständigkeit des Kantonsgerichts ergibt sich aus § 9 GOG in Verbindung mit § 10 Ziff. 2 GOG. Auf die vorliegende Klage ist daher einzutreten.

1 .2 In Bezug auf das anwendbare Recht ist vorab zu prüfen, ob das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11. April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf (nachfolgend als WKR [Wiener Kaufrecht] bezeichnet) auf den vorliegenden Fall anwendbar ist.

1 .2. 1 Das WKR trat für Deutschland am 1. Januar 1991 und für die Schweiz am 1. März 1991 in Kraft. Gemäss Art. 1 Abs. 1 WKR ist dieses Übereinkommen auf Kaufverträge über Waren zwischen Parteien anzuwenden, die ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben, a) wenn diese Staaten Vertragsstaaten sind oder b) wenn die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaates führen. Das WKR gilt nur für den Kauf beweglicher körperlicher Sachen, wobei es sich um einen Austausch von Ware gegen Geld handeln muss (Siehr, in: Honsell, Kommentar zum UN-Kaufrecht, Berlin 1997, N 1 zu Art. 2 WKR).

1.2.2 Aus den Akten geht hervor, dass die Parteien im Frühjahr 1994 eine Vereinbarung über eine künftige Zusammenarbeit abschlossen. Demgemäss verpflichtete sich die Klägerin, der Beklagten Waren (PVC lind andere Kunststoffe) zu Einkaufspreisen für den Weiterverkauf zu veräußern. Die Differenz zwischen den Einkaufs- und Verkaufspreisen - unter Berücksichtigung der Frachtkosten etc. - sollte zwischen den Parteien hälftig geteilt werden (Beilage 1 ‚ S. 3; Beilage 2, S. 5). Vorliegend sind daher die Bestimmungen des WKR anwendbar.

3. Das Verfahren untersteht auch bei internationalen Sachverhalten prinzipiell dem Recht des Forums (Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des internationalen Privatrechts, Zürich 1986, S. 592 ff.).

Gemäss § 96 ZPO ist jede zu einer Haupt- oder Schlussverhandlung gehörig vorgeladene Partei, die ohne genügende Entschuldigung weggeblieben ist oder welche die Einlassung in die Hauptsache grundlos verweigert, zur Tragung der Kosten zu verpflichten und peremtorisch vorzuladen (Abs. 1). Zur peremtorischen Verhandlung ist unter der Androhung vorzuladen, dass bei unentschuldigtem Ausbleiben des Klägers Abstand von der Klage und bei solchem des Beklagten Anerkennung der tatsächlichen Klagegründe und Verzicht auf Einreden angenommen würde (Abs. 3).

[…]

5. Nach unbestritten gebliebener Darstellung der Beklagten bestellte die Beklagte bei der Klägerin 700 mt (metric tons) PVC des Typs 7059 M. Damit kam zwischen den Parteien ein Kaufvertrag im Sinne von Art. 14 ff. WKR zustande. Demgemäss verpflichtete sich die Klägerin zur Lieferung der bestellten Ware und die Beklagte zur Leistung einer Vergütung. Die Klägerin hat ihre Leistung unbestrittenermessen nicht erbracht, weshalb die Beklagte erklärte, dass sie auf die Lieferung der Ware durch die Klägerin verzichte und am Vertrag nicht mehr festhalten wolle (vgl. Beilage 2, S. 18). Damit hob die Beklagte den Kaufvertrag über die Lieferung der 700 mt PVC auf.

5.1 Ist der Vertrag aufgehoben und hat die Ware einen Marktpreis, so kann die Schadenersatz verlangende Partei, wenn sie keinen Deckungskauf oder Deckungsverkauf nach Art. 75 WKR vorgenommen hat, den Unterschied zwischen dem im Vertrag vereinbarten Preis und dem Marktpreis zur Zeit der Aufhebung sowie jeden weiteren Schadenersatz nach Art. 74 WKR verlangen (vgl. Art. 76 Abs. 1 WKR; Schonle, in: Honsell, a.a.O., N 4 ff. zu Art. 76 WKR).

5.2 Unstreitig ist, dass die Beklagte den Kaufvertrag wegen Vertragsverletzung seitens der Klägerin aufgehoben und kein Deckungsgeschäft vorgenommen hat. Unbestritten ist ferner, dass für die vereinbarte Ware (PVC des Typs 7059 M) ein fester Vertragspreis von US$ 725.-- pro mt vereinbart worden ist (BB 18) und zur Zeit der Vertragsaufhebung, d.h. im November 1994, ein Marktpreis von US$ 850.-- bis US$ 900.-- pro mt bestand (Beilage 11). Die Klägerin erhob weder Einreden noch Einwendungen gegen die Schadenersatzforderung der Beklagten. Die Beklagte kann daher gemäss Art. 76 WKR Ersatz ihres Nichterfüllungsschadens verlangen. Sie kann in diesem Rahmen vor allem ihren Differenzschaden geltend machen und diesen Differenzschaden abstrakt berechnen, nämlich nach dem Unterschied zwischen dem vereinbarten Preis und dem geltend gemachten Marktpreis (Schonle, in: Honsell, a.a.O., N 19 zu Art. 76 WKR). Die Differenz zwischen dem mittleren Marktpreis (US$ 875.--/mt) und dem vereinbarten Kaufpreis (US$ 725.--/mt) beträgt im vorliegenden Fall US$ 150.-- pro mt. Der Differenzschaden beläuft sich somit auf US$ 105'000.-- (700 mt mal US$ 150.--/mt). Die Beklagte verlangt jedoch lediglich einen Teilbetrag von US$ 50'000.--. An diesen Antrag ist der Richter gebunden (§ 54 ZPO). Die Klägerin ist daher zu verpflichten, der Beklagten US$ 50'000.-- zu bezahlen. Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob die Beklagte gegenüber der Klägerin - neben dem Anspruch auf Schadenersatz aus dem Vertrag über die 700 mt PVC des Typs 7059 M - ein Guthaben in Höhe von US$ 8990.-- (Belastungsnote) bzw. US$ 1'289.16 (Spesen) hat (vgl. Beilage 18, S. 3).

6. Die Beklagte verlangt im Weiteren einen Zins von 5 % seit 29. November 1994.

6.1 Nach Art. 78 WKR schuldet diejenige Partei, die es versäumt, den Kaufpreis oder einen anderen fälligen Betrag zu zahlen, der anderen Partei Zinsen ab Fälligkeitsdatum. Auch Schadenersatzforderungen sind vom Beginn ihrer Fälligkeit an, d.h. mit ihrem Entstehen, zu verzinsen. Nach gefestigter Auffassung richtet sich die Höhe des Zinssatzes nach dem nationalen Recht, das kollisionsrechtlich als Vertragsstatut berufen ist (Magnus, in: Honsell, a.a.O., N 5, 9 und 12 zu Art. 78 WKR). Gemäss Art. 117 Abs. 1 IPRG untersteht der Vertrag bei Fehlen einer Rechtswahl dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt. Nach Art. 117 Abs. 2 und 3 IPRG ist dies im vorliegenden Fall Deutschland, weshalb hinsichtlich der Höhe des Zinses deutsches Recht zu Anwendung kommt. Da beide Parteien unbestrittenermessen Handelsleute im Sinne von § 1 ff. des deutschen Handelsgesetzbuches (HGB) sind, richtet sich die Höhe des Zinssatzes nach diesem Gesetz. Gemäss § 352 Abs. 1 HGB ist die Höhe der gesetzlichen Zinsen bei beiderseitigen Handelsgeschäften fünf vom Hundert für das Jahr.

6.2. Die Schadenersatzforderung der Beklagten über US$ 50.000.-- entstand am 8. November 1994, als die Klägerin den Kaufvertrag trotz letztmaliger Mahnung nicht erfüllte (vgl. KB 16). Wie bereits erwähnt, entsteht die Zinspflicht nach Art. 78 WKR, sobald die jeweilige Zahlung fällig ist; Schadenersatzforderungen werden mit ihrem Entstehen fällig. Die Beklagte verlangt einen Zins erst ab 29. November 1994 (Beilage 18, S. 1), weshalb ihr ab diesem Datum auf dem Betrag von US$ 50'000.-- ein Zins von 5 % zuzusprechen ist (§ 54 ZPO).

7. Die Klage ist somit zufolge Rückzugs am Protokoll abzuschreiben. Die Widerklage ist gutzuheissen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist die Klägerin kostenpflichtig. Sie hat die Gerichtskosten zu tragen (§ 38 Abs. 1 ZPO) und die Beklagte für die prozessualen Umtriebe angemessen zu entschädigen, wobei zu berücksichtigen ist, dass zwar nach der Einreichung der Klageantwort ein weiterer Schriftenwechsel stattfand und das Hauptverfahren mehrere Verhandlungen erforderte, der vorliegende Prozess letztlich aber weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten bot (§ 40 Abs. 1 und § 64 ZPO; s. auch § 2, § 3 Abs. 3 und § 5 Anwaltstarif).

Urteilsspruch
1 . Die Klage wird zufolge Rückzugs am Protokoll abgeschrieben.
2. In Gutheissung der Widerklage wird die Klägerin und Widerbeklagte verpflichtet, der Beklagten und Widerklägerin US$ 50'000.-- nebst 5 % Zins seit 29. November 1994 zu bezahlen.

[...]}}

Source

Published in German (excerpt):
- Schweizerische Zeitschrift für Internationales und Europäisches Recht (SZIER) 2000, 115}}